Wichtige Informationen zum 50-Euro-Sachbezug


Sehr geehrte Damen und Herren,


zum 1. Januar 2020 sind gesetzliche Änderungen zum steuer- und sozialversicherungsbeitragsfreien Sachbezug in Kraft getreten, die weitreichende Auswirkungen für Unternehmer und Beschäftigte mit sich bringen. Nachstehend geben wir einige Hinweise zur ersten Orientierung.


Allgemeines


Bekanntlich sind Sachbezüge, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern neben dem Arbeitsentgelt kostenlos oder vergünstigt gewährt, bis zur Grenze von 44,00 Euro im Monat steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei.

Typische Sachbezugsleistungen sind Waren (z. B. Buch), Warengutscheine oder Tankgutscheine. Infolge eines extensiven Verständnisses der BFH-Rechtsprechung (vgl. u. a. Urt. v. 7. Juni 2018, VI R 13/16 und v. 4. Juli 2018, VI R 16/17) und damit verbundene Offerten einiger Anbieter von Sachbezugskartensystemen entstanden in den letzten Jahren erhebliche Zweifel, was unter den vom Gesetzgeber grundsätzlich für steuerfrei erklärten Sachbezügen im Einzelnen zu verstehen ist und wann von steuer- und sozialversicherungsbeitragspflichtigem Barlohn auszugehen ist.

Der Gesetzgeber hat deshalb nach einigem Hin und Her durch das zum 1. Januar 2020 in Kraft getretene „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (BR-Drucks. 552/19) eine Neuregelung für Gutscheine, Geldkarten und zweckgebundene Geldleistungen beschlossen.


1.      Bisherige Rechtslage


Die gute Nachricht ist – für alle Entgeltabrechnungen bis zum 31. Dezember 2019 soll es bei der bisherigen Behandlung von Sachbezügen und Abgrenzung zur Geldleistung bleiben. Ob Barlohn oder Sachbezüge vorliegen, entscheidet sich danach, was der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber auf der Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen beanspruchen kann. Es kommt nicht darauf an, auf welche Art und Weise der Arbeitgeber den Anspruch erfüllt und seinen Mitarbeitern den zugesagten Vorteil verschafft (vgl. BFH, Urt. v. 11. November 2010, VI R 21/09, VI R 27/09 und VI R 41/10; die Finanzverwaltung ist dieser Rechtsprechung gefolgt, vgl.  H 8.1 Abs. 1-4 LStH). Können Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber nur eine „Sache“ beanspruchen, ist es unerheblich, ob der Arbeitgeber zur Erfüllung dieses Anspruchs selbst tätig wird oder den Arbeitnehmern gestattet, auf seine Kosten die Sachen bei einem Dritten zu erwerben. Als Sachbezug galt danach unter anderem (1.) eine Zahlung des Arbeitgebers, die mit der Auflage verbunden ist, den empfangenen Geldbetrag nur in bestimmter Weise zu verwenden, (2.) ein durch den Arbeitgeber eingeräumtes Recht, zum Beispiel bei einer Tankstelle zu tanken oder (3.) ein Gutschein über einen in Euro lautenden Höchstbetrag für Warenbezug.


Bis zum 31. Dezember 2019 soll nach Auffassung der Finanzverwaltung auch steuer- und beitragsfreier Sachlohn gegeben sein, wenn die Gutscheingewährung mittels sogenannter Guthabenkarten bzw. Geldkarten erfolgt, auf denen durch den Arbeitgeber ein Geldbetrag gebucht wurde und die bei einer Vielzahl von sogenannten Akzeptanzstellen zum Erwerb von Waren oder Dienstleistungen zum Einsatz kommen konnten.


In einem weiteren Urteil hatte der BFH (vgl. Urt. v. 4. Juli 2018, VI R 16/17) jedoch in der Urteilsbegründung zwischen Gutscheinen und solchen Geldkarten differenziert und zu erkennen gegeben, dass Geldsurrogate, wie zum Beispiel Geldkarten, keine Sachleistungsverpflichtung enthielten und daher die Sachbezugseigenschaft zweifelhaft sei. Zudem war kaum noch ein Unterschied zu Debit- oder PrePaid-Karten zu erkennen, die mit den auf ihnen gebuchten Guthaben zum beliebigen Erwerb von Sachen oder Dienstleistungen berechtigten und damit kaum noch einen Unterschied zum „elektronischen Geld“ in Gestalt von EC-, Giro- bzw. Maestro- oder Kreditkarten aufwiesen. 


2.      Neue Rechtslage ab dem 1. Januar 2020


Die durch die vorgenannte BFH-Rechtsprechung entstandenen Unsicherheiten bei der Abgrenzung zwischen steuerpflichtigem Geldleistung und steuerfreien Sachbezug sollen durch die gesetzliche Neuregelung ab dem 1. Januar 2020 beseitigt werden. Ziel ist es, den Begriff der Geldleistung zum Begriff des Sachbezugs klar abzugrenzen.


2.1  Gesetzliche Definition des Sachbezugs


Danach heißt es nunmehr in § 8 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG:

„Zu den Einnahmen in Geld gehören auch zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten. Satz 2 gilt nicht bei Gutscheinen und Geldkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes erfüllen.“


Mit dieser gesetzlichen Definition soll festgeschrieben werden, dass zweckgebundene Geldleistungen, nachträgliche Kostenerstattungen, Geldsurrogate und andere Vorteile, die auf einen Geldbetrag lauten, grundsätzlich keine Sachbezüge, sondern steuer- und sozialversicherungsbeitragspflichtige Geldleistungen sind. Jedoch sollen Gutscheine und Geldkarten als flexibles Mittel der Sachzuwendung im Rahmen der 44-Euro-Freigrenze weiterhin steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei sein, wenn sie ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien des § 2 Abs. 1 Nr. 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) erfüllen. Diese Regelung hat also das Ziel, bestimmte zweckgebundene Gutscheine und Geldkarten, die nicht als Zahlungsdienste gelten, als Sachbezug zu belassen, damit die 44-Euro-Grenze anwendbar bleibt.


Nach den in den Gesetzgebungsmaterialien (vgl. BT-Drucks. 19/14909) zu lesenden Begründungen sollen hierzu unter anderem aufladbare Geschenkkarten für den Einzelhandel, Centergutscheine und „City-Cards" gehören (sog. Closed-Loop-Karten und Controlled-Loop-Karten) zählen. Closed-Loop-Karten berechtigen, Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins zu beziehen; Controlled-Loop-Karten berechtigen, Waren oder Dienstleistungen nicht nur beim Aussteller, sondern bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen zu beziehen. Solche Karten berechtigen also, Waren oder Dienstleistungen vom Aussteller des Gutscheins bzw. bei einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen zu beziehen und dürfen ausschließlich bei Akzeptanzstellen eingelöst werden, die direkt mit dem Herausgeber der Karte eine Vereinbarung (Akzeptanzvertrag) geschlossen haben. Die Nutzung des Gutscheins bzw. der Karte darf zudem nur im Inland möglich sein.


Als steuer- und sozialversicherungsbeitragsfreier Sachbezug gelten ab 1. Januar 2020 also nur noch Gutscheine und Gutscheinkarten, die ausschließlich zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen berechtigen und die Kriterien von § 2 Abs. 1 Nr. 10 lit a), b) oder c) ZAG erfüllen. Danach sind drei verschiedene Kategorien erlaubt, und zwar


a)   limitierte Netze (§ 2 Abs. 1 Nr. 10a ZAG) – hierunter fallen Gutscheinkarten von Einkaufsläden, Einzelhandelsketten oder regionale City-Cards; 


b)   limitierte Produktpaletten (§ 2 Abs. 1 Nr. 10b ZAG) – hierunter fallen z.B. Tankkarten („Alles, was das Auto bewegt"), Gutscheinkarten für einen Buchladen, Beauty- oder Fitnesskarten sowie Kinokarten; 


c)   Instrumente zu steuerlichen und sozialen Zwecken (§ 2 Abs. 1 Nr. 10c ZAG) – hierzu gehören z. B. Essensgutscheine sowie Aufmerksamkeiten bei einem besonderen persönlichen Ereignis des Arbeitnehmers.


Nicht mehr begünstigt sind ab 1. Januar 2020 durch den Arbeitgeber selbst erstellte Gutscheine, weil es sich dabei im Ergebnis um eine nachträgliche Kostenerstattung handelt.


Die Neuregelung in § 8 Absatz 1 Satz 3 EStG soll auch nicht anzuwenden sein bei Geldkarten (z. B. bestimmte Open-Loop-Karten), die als Geldsurrogate im Rahmen unabhängiger Systeme des unbaren Zahlungsverkehrs eingesetzt werden können. Als steuer- und sozialversicherungsbeitragspflichtige Geldleistung sollen daher insbesondere bestimmte Geldkarten zu behandeln sein, die über eine Barauszahlungsfunktion oder über eine eigene IBAN verfügen, die für Überweisungen (z. B. PayPal) oder für den Erwerb von Devisen (z. B. Pfund, US-Dollar, Franken) verwendet sowie als generelles Zahlungsinstrument hinterlegt werden können.


2.2  Weitere Voraussetzung – „Zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“


Zudem fallen Gutscheine und Geldkarten ab 1. Januar 2020 nur noch dann unter die 44-Euro-Freigrenze, wenn sie vom Arbeitgeber „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ gewährt werden (§ 8 Abs. 2 Satz 11 EStG).

 

Der steuerliche und sozialversicherungsbeitragsrechtliche Vorteil des 44,00 Euro-Sachbezugs soll damit insbesondere im Rahmen von Gehaltsumwandlungen ausgeschlossen werden. Mit anderen Worten: Wird der Sachbezug nur deshalb gewährt, weil zuvor das Arbeitsentgelt des Mitarbeiters entsprechend gemindert wurde, soll die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit nicht zur Anwendung kommen. Umgehungsgestaltungen zur missbräuchlichen Netto-Lohn-Maximierung sollten damit ausgeschlossen werden.


Allerdings bestanden Zweifel, inwieweit dieser Teil der gesetzlichen Neuregelung mit der neuesten Rechtsprechung zur Zusätzlichkeitsgrenze (BFH, Urt. v. 1. August 2019, VI R 32/18, VI R 21/17, VI R 40/17) in Einklang gebracht werden kann. Der BFH hatte mit den genannten Urteilen aus August 2019 seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben, nach der nur freiwillige Arbeitgeberleistungen, also Leistungen, die der Arbeitgeber arbeitsrechtlich nicht schuldet, zusätzlich in diesem Sinne erbracht werden konnten. Nunmehr verneint der BFH, dass bestimmte Steuervergünstigungen für Sachverhalte mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung (je nach arbeitsvertraglicher Ausgestaltung) durch die Zusätzlichkeitsvoraussetzung ausgeschlossen werden. Voraussetzung sei nur (noch), dass der verwendungsfreie Arbeitslohn zugunsten verwendungs- oder zweckgebundener Leistungen des Arbeitgebers arbeitsrechtlich wirksam herabgesetzt wird (Lohnformwechsel).


Der in der gesetzlichen Neuregelung zum Ausdruck gebrachte Gesetzgeberwille und die neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes lassen sich also nicht ohne Weiteres miteinander vereinbaren.

 

Das Bundesministerium der Finanzen hat deshalb im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Bundesländer im BMF-Schreiben vom 5. Februar 2020 (IV C 5 - S 2334/ 19/10017 :002) verfügt, dass im Sinne des Einkommensteuergesetzes fortan Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden, wenn

 

1.   die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,


2.   der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,


3.   die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und


4.   bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.


Dieser Anwendungsverfügung soll im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unabhängig davon gelten, ob der Arbeitslohn tarifgebunden ist. Es sind somit im gesamten Lohn-und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt, wenn es die Einzelgesetzesvorschriften vorsehen.


2.3  Weiteres Problem!


Das vom Gesetzgeber und Bundesministerium der Finanzen zum Ausdruck gebrachte Erfordernis, dass künftig nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerfrei und damit sozialversicherungsbeitragsfrei sein sollen, kollidiert allerdings mit einer arbeitsrechtlichen Problematik.

 

In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist anerkannt, dass ein Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung einen Rechtsanspruch auf wiederkehrende Leistung erwirbt, wenn der Arbeitgeber zuvor regelmäßig Leistungen oder Vergünstigungen gewährt hat, zu denen er laut Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich verpflichtet ist. Darf der Arbeitnehmer aus dem vorangegangenen wiederholt-gleichförmigen Verhalten des Arbeitgebers also schließen, dass er die Leistungen auch künftig erhalten soll, dann entsteht ein rechtlicher Anspruch, den der Arbeitnehmer auch gerichtlich durchsetzen kann. Typischer Fall einer solchen betrieblichen Übung ist die dreimalige ununterbrochene und vorbehaltslose Gewährung von Weihnachtsgeld, die dazu führt, dass die Mitarbeiter auch künftig (ab dem 4. Jahr) Weihnachtsgeldzahlungen beanspruchen können. Die betriebliche Übung hat also das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf die Leistung zur Folge.

 

Dem Entstehen eines solchen Rechtsanspruchs auf weitere Leistung aus betrieblicher Übung kann nur wirksam damit begegnet werden, dass der Arbeitgeber bei jeder Gewährung der freiwillig angedachten Leistung gegenüber dem Mitarbeiter schriftlich (damit nachweisbar) erklärt, dass es sich dabei um eine zusätzliche freiwillige Leistung handelt, aus deren künftig erneuter Gewährung nicht geschlossen werden könne, dass sich der Arbeitgeber dauerhaft zu dieser zusätzlichen Leistung rechtsverbindlich verpflichten wolle (sogenannter Freiwilligkeitsvorbehalt). Und damit der Arbeitgeber nachweisen kann, dass er diesen Freiwilligkeitsvorbehalt auch gegenüber dem betreffenden Arbeitgeber abgegeben hat, muss er sich den Empfang dieser Freiwilligkeitsvorbehaltserklärung bestätigen lassen (auf in Arbeitsverträgen vorformulierte Freiwilligkeitsklauseln sollte sich der Arbeitgeber regelmäßig nicht verlassen, da diese nicht selten unwirksam sind).  


Wird diese Rechtsprechung auf die Gewährung von Sachbezügen in Form von Gutscheinen oder dergleichen übertragen und zugleich das Erfordernis beachtet, dass nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt und damit sozialversicherungsbeitragsfrei sein sollen, ist damit zu rechnen, dass die Finanzverwaltung und die Sozialversicherungsträger im Rahmen künftiger Betriebsprüfungen aus der regelmäßigen und nicht unter Freiwilligkeitsvorbehalt erfolgten Gewährung von Sachbezügen einen rechtlichen Anspruch auf weiteres Arbeitsentgelt konstruieren, der dazu führt, dass die Steuer- und Sozialversicherungsbeitragsfreiheit für die fragliche Leistung nicht mehr gegeben ist. Ein solcher Fall könnte schon dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer jeden Monat einen Tankgutschein in Höhe von 40,00 Euro übergibt und dabei keinen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt. Dass dies so gewollt ist, scheint sich aus den Kriterien (dort Ziffer 4) zu ergeben, die das Bundesministerium der Finanzen im vorstehend zitierten BMF-Schreiben vom 5. Februar 2020 benannt hat.


Bis diese Rechtslage nicht eindeutig geklärt ist, muss dringend die Empfehlung gegeben werden, bei der Gewährung von Gutscheinen und Gutscheinkarten, welche als 44,00 Euro-Sachbezug steuer- und sozialversicherungsbeitragsfrei behandelt werden sollen, äußerst genau darauf zu achten, dass deren wiederholte Gewährung nicht zu einem Rechtsanspruch auf wiederkehrende Leistung führt.


Sollten Sie hierzu Fragen haben, beraten wir Sie gern. 

 
 
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