Die Regelungen in § 2b UStG

Die Regelung des § 2b UStG betrifft die Umsatzbesteuerung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie am Markt wie andere Unternehmen auftreten und Leistungen entgeltlich anbieten.

Die gesetzliche Regelung lautet:

 

§ 2b Juristische Personen des öffentlichen Rechts

(1)   Vorbehaltlich des Abs.es 4 gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer im Sinne des § 2, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, auch wenn sie im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erheben. Satz 1 gilt nicht, sofern eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.

(2)    Größere Wettbewerbsverzerrungen liegen insbesondere nicht vor, wenn

1. der von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts im Kalenderjahr aus gleichartigen Tätigkeiten erzielte Umsatz voraussichtlich 17 500 Euro jeweils nicht übersteigen wird oder

2. vergleichbare, auf privatrechtlicher Grundlage erbrachte Leistungen ohne Recht auf Verzicht (§ 9) einer Steuerbefreiung unterliegen.

(3)   Sofern eine Leistung an eine andere juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeführt wird, liegen größere Wettbewerbsverzerrungen insbesondere nicht vor, wenn

1. die Leistungen aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder

2. die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn

                 a) die Leistungen auf langfristigen öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen beruhen,

b) die Leistungen dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur und der Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe dienen,

                 c) die Leistungen ausschließlich gegen Kostenerstattung erbracht werden und

d) der Leistende gleichartige Leistungen im Wesentlichen an andere juristische Personen des öffentlichen Rechts erbringt.

(4)   Auch wenn die Voraussetzungen des Abs.es 1 Satz 1 gegeben sind, gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 mit der Ausübung folgender Tätigkeiten stets als Unternehmer:

        1. (weggefallen)

        2. (weggefallen)

3. die Leistungen der Vermessungs- und Katasterbehörden bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Landesvermessung und des Liegenschaftskatasters mit Ausnahme der Amtshilfe;

4. die Tätigkeit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, soweit Aufgaben der Marktordnung, der Vorratshaltung und der Nahrungsmittelhilfe wahrgenommen werden;

5. Tätigkeiten, die in Anhang I der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1) in der jeweils gültigen Fassung genannt sind, sofern der Umfang dieser Tätigkeiten nicht unbedeutend ist.


1. Entstehungsgeschichte, Inkrafttreten und Verlängerung


Mit den Änderungen des Umsatzsteuergesetzes (UStG) im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2015 wurde durch die Streichung der alten Regelung in § 2 Abs. 3 UStG die Kopplung an das Körperschaftsteuergesetz aufgehoben. Die Regelungen zur umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts wurde in dem eingefügten § 2b UStG neu gefasst.

Die Änderungen traten am 1. Januar 2017 in Kraft. Die Neuregelung wird von einer Übergangsregelung in § 27 Abs. 22 UStG begleitet, auf deren Grundlage eine juristische Person des öffentlichen Rechts dem Finanzamt gegenüber erklären kann, dass bisher geltende Recht für sämtliche vor dem 1. Januar 2021 ausgeführte Leistungen weiterhin anzuwenden.

Dieser Übergangszeitraum wurde das Corona-Steuerhilfegesetz vom 28. Mai 2020 bis zum 31. Dezember 2022 verlängert. Des Weiteren wurde das begleitende BMF-Schreiben vom 16. Dezember 2016 durch die BMF-Schreiben vom 03. April 2020, 09. Juli 2020 und 05. August 2020 ergänzt.

 

2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts


Juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von § 2b Abs. 1 UStG sind insbesondere die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Zweckverbände), die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften, die Innungen, Handwerkskammern, Industrie- und Handelskammern, die staatlichen Hochschulen und sonstige Gebilde, die auf Grund öffentlichen Rechts eigene Rechtspersönlichkeit besitzen.

 

3. Unternehmereigenschaft nach dem Umsatzsteuerrecht - § 2 Abs. 1 UStG 


Für die Beurteilung der Unternehmereigenschaft von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind zunächst die allgemeinen Regelungen des § 2 Abs. 1 UStG maßgeblich. Danach sind juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich als Unternehmer anzusehen, wenn sie selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausüben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, welcher Art die entsprechenden Einnahmen sind. Auch Leistungen, für die als Gegenleistung Zölle, Gebühren, Beiträge oder sonstige Abgaben erhoben werden, können wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG sein.

 

4. Ausnahme durch § 2b UStG


§ 2b UStG regelt als Ausnahmetatbestand die Umsatzbesteuerung der der juristischen Personen des öffentlichen Rechts beim Handeln auf öffentlich-rechtlicher Grundlage. Hierin hat der Gesetzgeber die europarechtlichen Regelungen des Art. 13 Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) übernommen und vier Voraussetzungen definiert:


·         Handeln einer juristischen Person des öffentlichen Rechts,


·         Ausübung einer ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegenden Tätigkeit,


·         Fehlen größerer Wettbewerbsverzerrungen und


·         Ausschluss einer Katalogtätigkeit nach § 2b Abs. 4 UStG.

 

Sind juristische Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG tätig, gelten sie jedoch gleichwohl nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten ausüben, die ihnen im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen (§ 2b Abs. 1 Satz 1 UStG).


Als Tätigkeiten, die einer juristische Person des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen, kommen nur solche in Betracht, bei denen die juristische Person des öffentlichen Rechts auf Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung tätig wird. Erbringt eine juristische Person des öffentlichen Rechts in Umsetzung einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung Leistungen in privatrechtlicher Handlungsform und damit unter den gleichen rechtlichen Bedingungen wie private Wirtschaftsteilnehmer, werden diese Tätigkeiten gleichwohl nicht von § 2b UStG erfasst. Übt eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine wirtschaftliche Tätigkeit auf der Grundlage einer öffentlich-rechtlichen Satzung in öffentlich-rechtlicher Handlungsform aus, wird sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig.


Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind zudem berechtigt, öffentlich-rechtliche Verträge abzuschließen. Ein Vertrag ist als öffentlich-rechtlich zu beurteilen, wenn Gegenstand und Zweck des Vertrags dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Ein Indiz für das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags ist die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs bei Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag.

Erbringt hingegen eine juristische Person des öffentlichen Rechts nachhaltig Leistungen gegen Entgelt aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages, ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stets von einer unternehmerischen Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 1 UStG auszugehen. Die Unternehmereigenschaft ist in diesen Fällen nicht durch § 2b UStG eingeschränkt, weil die öffentliche Hand in zivilrechtlicher Handlungsform am Markt teilnimmt und nicht im Rahmen der öffentlichen Gewalt handelt. Die hierdurch erzielten Entgelte (Einnahmen) der juristischen Person des öffentlichen Rechts führen grundsätzlich zur Umsatzbesteuerung, soweit nicht anderweitige gesetzlichen Ausnahmen bestehen.


Ob die im Rahmen einer Tätigkeit erbrachten entgeltlichen Leistungen unter § 2b Abs. 1 UStG fallen, hängt allein von der zulässigerweise gewählten Handlungsform der entsprechenden Tätigkeit ab.


Besteht beispielweise für eine Leistung ein Anschluss- und Benutzungszwang (Anschluss an Wasser- und Abwasserversorgung), ist regelmäßig davon auszugehen, dass die einzelne Leistung der juristischen Person des öffentlichen Rechts (kommunale Wasser- und Abwasserbetriebe) auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbracht wird.


Wird hingegen ohne rechtliche Grundlage die Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gewählt, liegt kein Handeln im Rahmen der öffentlichen Gewalt vor. Mitunter sind juristische Person des öffentlichen Rechts nur zu privatrechtlichen Handlungsformen berechtigt (z. B. beim Betrieb einer Cafeteria, bei der Überlassung von Werbeflächen).


Sogenannte Hilfsgeschäfte, die die nichtunternehmerischen (nichtwirtschaftlichen) Tätigkeiten von juristische Person des öffentlichen Rechts mit sich bringen, fallen zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 2b UStG, weil sie auf privatrechtlicher Grundlage ausgeführt werden (z. B. Veräußerungen von Gegenständen, die im nichtunternehmerischen Bereich eingesetzt waren), werden aber als nicht nachhaltig und somit nicht steuerbar angesehen.


5. Ausnahme von der Ausnahme – Vorliegen einer Wettbewerbsverzerrung


Die Begrenzung der Unternehmereigenschaft durch § 2b UStG gilt nicht, sofern eine Behandlung der juristischen Person des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmer im Hinblick auf diese Tätigkeiten zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde (§ 2b Abs. 1 Satz 2 UStG).


Verzerrungen des Wettbewerbs können aber nur stattfinden, wenn Wettbewerb besteht. Dies setzt voraus, dass die von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachte Leistung gleicher Art auch von einem privaten Unternehmer erbracht werden könnte. Die Tätigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts muss also marktrelevant sein. Ob eine Marktrelevanz besteht, ist damit in erster Linie anhand der Art der erbrachten Leistung festzustellen. Zwei Leistungen sind gleichartig und stehen deshalb in einem Wettbewerbsverhältnis, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers dieselben Bedürfnisse befriedigen. Allerdings muss die Möglichkeit für einen privaten Wirtschaftsteilnehmer, in den relevanten Markt einzutreten (potentieller Wettbewerb), real und nicht nur rein hypothetisch sein. Die Marktrelevanz ist grundsätzlich nicht auf einen lokalen Markt beschränkt.


Verzerrungen des Wettbewerbs im Sinne des § 2b UStG entstehen, wenn öffentliche und private Anbieter marktrelevant aufeinandertreffen können und aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung die Wettbewerbssituation zugunsten oder zulasten eines Marktteilnehmers verfälscht wird. Wettbewerbsverzerrungen können sowohl zulasten von privaten Wettbewerbern der juristischen Person des öffentlichen Rechts als auch zulasten der juristischen Person des öffentlichen Rechts selbst bestehen. Auch juristische Person des öffentlichen Rechts können sich daher auf durch eine Nichtbesteuerung ergebende größere Wettbewerbsnachteile zu ihren eigenen Lasten gegenüber privaten Unternehmern berufen.


An den Begriff der „größeren Wettbewerbsverzerrungen” sind keine erhöhten Anforderungen zu stellen. Größer sind Wettbewerbsverzerrungen bereits dann, wenn sie nicht lediglich unbedeutend sind. Was dies im Einzelnen heißt, muss durch die Rechtsprechung erst noch geklärt werden, da es sich hier um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff handelt.

 

6. Ausnahmen von der Ausnahme von der Ausnahme


§ 2b Abs. 2 UStG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Fällen, in denen auch bei einer an sich wirtschaftlichen Betätigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleichwohl keine größeren Wettbewerbsverzerrungen vorliegen sollen:


1.       § 2b Abs. 2 Nr. 1 UStG: Wettbewerbsgrenze in Höhe von 17.500 Euro (kein Wahlrecht für die juristische Person des öffentlichen Rechts): prognostische Umsatzgrenze von 17.500 Euro aus gleichartigen Tätigkeiten; Überschreiten dieser Umsatzgrenze muss bereits mit der Haushaltsplanung dokumentiert werden.

 

2.       § 2b Abs. 2 Nr. 2 UStG: vergleichbare steuerfreie Tätigkeiten privater Unternehmer: Durch die Nichtbesteuerung von Leistungen der juristische Person des öffentlichen Rechts entstehen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen, wenn vergleichbare Leistungen privater Unternehmer aufgrund einer Steuerbefreiung ebenfalls nicht mit Umsatzsteuer belastet werden. Die juristische Person des öffentlichen Rechts wird mit diesen Leistungen grundsätzlich nicht unternehmerisch tätig (gilt nicht für Leistungen, für die nach § 9 UStG optiert werden kann)

 

Zudem beschreibt § 2b Abs. 3 UStG Fälle der vertikalen und horizontalen Zusammenarbeit von juristische Person des öffentlichen Rechts bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, bei denen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Danach liegen keine größeren Wettbewerbsverzerrungen insbesondere dann vor, wenn die betroffenen Leistungen zwischen juristische Person des öffentlichen Rechts ausgetauscht werden und dabei die Leistungen entweder aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von juristische Person des öffentlichen Rechts erbracht werden dürfen oder die Zusammenarbeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird.


1.     § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG: den juristischen Personen des öffentlichen Rechts vorbehaltene Leistungen – nur Erbringung durch juristische Person des öffentlichen Rechts, dass heißt nur bei juristische Person des öffentlichen Rechts nachfragbar und damit keine Wettbewerbsverzerrungen möglich


2.     § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG: gemeinsame spezifische öffentliche Interessen

a)    langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung (Vereinbarung auf unbestimmte Zeit bzw. mindestens 5 Jahre geschlossen)

 

b)    Erhalt der öffentlichen Infrastruktur (Förderung, Ausbau, Errichtung) und Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden Aufgabe (eine oder mehrere gemeinsame Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit zu erfüllen)

 

c)    ausschließlich Kostenerstattung (kein über Kostendeckung hinausgehender Finanztransfer)

 

d)    Leistungsempfänger im Wesentlichen andere juristische Person des öffentlichen Rechts (Wesentlichkeit: mindestens 80% gemessen an durchschnittlichem Gesamtumsatz der gleichartigen Tätigkeiten der letzten drei Jahre)

 

7. Andere Ausnahmen – Katalogtätigkeiten nach § 2b Abs. 4 UStG


Auch wenn die Voraussetzungen des § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG gegeben sind, gelten juristische Person des öffentlichen Rechts mit der Ausübung der in § 2b Abs. 4 UStG genannten Tätigkeiten stets als Unternehmer, sofern § 2 Abs. 1 UStG erfüllt:


          1. Notare          2. Abgabe von Brillen und Brillenteilen          3. Leistung der Vermessungs- und Katasterbehörden          4. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung          5. Tätigkeiten laut


Anhang 1:  


a) Telekommunikationswesen


b) Lieferung von Gas, Wasser, Elektrizität


c) Güterbeförderung


d) Hafen- und Flughafendienstleistungen


e) Personenbeförderung


f) Lieferung von neuen Gegenständen zum Zwecke ihres Verkaufs (Beschaffungsstellen)


g) Landwirtschaftliche Interventionsstellen


h) Veranstaltung von Messen und Ausstellungen


i) Lagerhaltung


j) Tätigkeiten gewerblicher Werbebüros


k) Tätigkeiten der Reisebüros


l) Umsätze von betriebseigenen Kantinen und Verkaufsstellen


m) Rundfunk- und Fernsehanstalten.

  

 
 
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