Überlassung von Mitarbeitern an Dritte


Sehr geehrte Damen und Herren,

 

immer wieder tritt die Frage auf, ob ein Unternehmer einen oder mehrere Mitarbeiter an einen anderen Unternehmer vorübergehend oder regelmäßig ohne weiteres „ausleihen“ darf.

 

Hintergrund hierfür ist zumeist die Überlegung und das Bedürfnis, flexibel für eine bestimmte Zeit Mitarbeiter anderweitig zu beschäftigen, um Kosten zu decken sowie die Prozeduren der Anstellung und An- und Abmeldung bei der Sozialversicherung und der Finanzverwaltung zu vermeiden. Bei einem derartigen „Aus- und Verleihen“ von Mitarbeitern sind jedoch besondere Vorschriften insbesondere des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zu beachten, deren Nichtbefolgung erhebliche nachteilige Konsequenzen für die beteiligten Unternehmen mit sich bringen können.

 

Eine gesetzliche Definition des Begriffs der Arbeitnehmerüberlassung gibt es nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes. Typischer und notwendiger Inhalt eines Überlassungsvertrags – auch bei einer mündlichen Abrede – ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, ihm zur Förderung seiner Betriebszwecke Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren liegt Arbeitnehmerüberlassung nur dann vor, wenn die Arbeitskräfte voll in den Betrieb des Entleihers eingegliedert sind, ihre Arbeit allein nach dessen Weisungen ausführen und nach seinen Vorstellungen und Zielen im Betrieb wie „eigene“ Arbeitnehmer eingesetzt werden.

 

Davon zu unterscheiden sind Vertragsverhältnisse, bei denen Arbeitnehmer lediglich als Erfüllungsgehilfen des Unternehmers eingesetzt werden, insbesondere wenn die Mitarbeiter im Rahmen eines (selbständigen) Dienst-, Dienstverschaffungs-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrages beschäftigt werden. Ferner liegt eine Arbeitnehmerüberlassung nicht vor, wenn sich der drittbezogene Personaleinsatz auf Seiten des Vertragsarbeitgebers nicht darauf beschränkt, einem Dritten den Arbeitnehmer zur Förderung von dessen Betriebszwecken zur Verfügung zu stellen, sondern er damit eigene Betriebszwecke verfolgt.

 

Im Zuge der Umsetzung der europäischen Leiharbeitsrichtlinie (RL 2008/104/EG vom 19. November 2008) in deutsches Recht brachte der deutsche Gesetzgeber das „Erste Gesetz zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes - Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung“ auf den Weg. Das Gesetz beinhaltete erhebliche Änderungen auf dem Gebiet des Arbeitnehmerüberlassungsrechts. Auf einige wichtige Vorschriften möchten wir hinweisen:

 


1. Erlaubnispflicht der Arbeitnehmerüberlassung

 

Bis zur Gesetzesnovelierung war vom Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) nur die gewerbsmäßige Überlassung erfasst und somit nach § 1 Abs. 1 AÜG erlaubnispflichtig. Nunmehr ist jede Überlassung von Arbeitnehmern, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit vornimmt, erlaubnispflichtig.

 

Mithin kommt es nicht mehr auf die Gewerbsmäßigkeit der Überlassung zur Verfolgung von Erwerbszwecken an, sondern allein darauf, dass Verleiher im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit Arbeitnehmer (vorübergehend) überlassen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes vor, wenn Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt angeboten werden. Davon ist bei der Zurverfügungstellung von Personal regelmäßig auszugehen. Eine (fehlende) Gewinnerzielungsabsicht oder eine nicht auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung sind unbeachtlich.

 

Die Erlaubnispflicht besteht damit auch, wenn  der Verleiher nicht die üblichen Arbeitgeberpflichten bzw. das Arbeitgeberrisiko (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AÜG) übernimmt oder die Überlassung nicht nur vorübergehend erfolgt (Vermutung von Arbeitsvermittlung) oder der Beschaftigte zum Zweck der Arbeitnehmerüberlassung eingestellt wurde (zum Beispiel bei einer konzerninternen Personalservicegesellschaft).

 

Vor Erteilung der Erlaubnis darf keine Arbeitnehmerüberlassung erfolgen. Die Erlaubnis muss vor dem ersten Verleih vorliegen. Die Erlaubnis kann bei den Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit beantragt werden. Hat der verleihende Unternehmer nicht die erforderliche Erlaubnis, ist der zugrunde liegende Arbeitsvertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam und es wird gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer fingiert. Es entsteht mithin ein ganz normales Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher mit allen arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen wie Kündigungsschutz und Sozialversicherungspflicht.

 

Nicht erlaubnispflichtig sind:

 

-     Abordnungen zu einer zur Herstellung eines Werkes gebildeten Arbeitsgemeinschaft (ARGE), wenn bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen;


-     Überlassungen im selben Wirtschaftszweig zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlas-sungen aufgrund tarifvertraglicher Regelungen;


-     die gelegentliche Arbeitnehmerüberlassung zwischen Arbeitgebern, sofern der Ar-beitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird – der Rechtsbegriff „gelegentlich“ wird durch die Rechtsprechung zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit (BAG, Urteil vom 2. Juni 2010, 7 AZR 946/08) bestimmt; danach sollen Bagatellfälle von dem Erlaubniserfordernis nicht erfasst sein (zum Beispiel einmalige Überlassung von Arbeitnehmern an ein anderes Unternehmen, um bei einer kurzfristig aufgetretenen Auftragsspitze auszuhelfen), jedoch kann auch die erstmalige Überlassung von Arbeitnehmern erlaubnispflichtig sein, wenn die Überlassungstätigkeit des Arbeitgebers von vornherein auf Dauer angelegt ist;


-     die konzerninterne Arbeitnehmerüberlassung, sofern der Arbeitnehmer nicht zum Zwecke der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird;


-     der Verleih in das Ausland in ein aufgrund zwischenstaatlicher Vereinbarungen gegrün-detes deutsch-ausländisches Gemeinschaftsunternehmen.

 

 

Keiner Erlaubnis bedarf ferner ein Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten, der zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen an einen Arbeitgeber einen Arbeitnehmer, der nicht zum Zweck der Überlassung eingestellt und beschäftigt wird, bis zur Dauer von zwölf Monaten überläßt, wenn er die Überlassung vorher schriftlich der Bundesagentur für Arbeit angezeigt hat. In der Anzeige sind anzugeben Vor- und Familiennamen, Wohnort und Wohnung, Tag und Ort der Geburt des Leiharbeitnehmers, Art der vom Leiharbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit und etwaige Pflicht zur auswärtigen Leistung, Beginn und Dauer der Überlassung sowie Firma und Anschrift des Entleihers.

 

Der Verleih in das Baugewerbe ist weiterhin grundsätzlich unzulässig.

 

 

2. Beachtung einer Lohnuntergrenze

 

Im Zuge dieser seit dem 1. Mai 2011 wirkenden Gesetzesänderung hat der Gesetzgeber zugleich die Bundesregierung ermächtigt, für die Leiharbeitsbranche eine sogenannte Lohnuntergrenze mittels Rechtsverordnung einzuführen (§ 3a AÜG). Von dieser Befugnis wurde mit der „Ersten Verordnung über eine Lohnuntergrenzen in der Arbeitnehmerüberlassung vom 21. Dezember 2011“ Gebrauch gemacht. Danach ist ein genau definiertes Mindeststundenbruttoentgelt zu zahlen. Es ist zu erwarten, dass das in der Verordnung niedergelegte Mindestentgeltniveau künftig gehalten wird.

 

Die vorgenannte Lohnuntergrenze darf gemäß § 9 Nr. 2 AÜG nicht durch individual- oder tarifvertragliche Vereinbarung bzw. arbeitsvertragliche Inbezugnahme unterschritten werden. Davon abweichende Vereinbarungen sind schlichtweg unwirksam. Im Falle der Unterschreitung sieht § 10 Abs. 4 AÜG als weitere Rechtsfolge die Geltung des Equal-pay-Grundsatzes vor. Bei Verstoß handelt der Verleiher zudem ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße von bis zu 25.000,00 Euro belangt werden (§ 16 Abs. 1 Nr. 7a, Abs. 2 AÜG).

 

 

3. weitere Regelungen

 

Überdies sind weitere Vorschriften zu beachten, wie beispielsweise besondere Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten der Ver- und Entleiher, neue Prüfkompetenzen des Zolls, Informationspflichten des Verleihers sowie das Recht der Leiharbeitnehmer zur Nutzung der Gemeinschaftseinrichtungen des Entleihers.

 

 

Sollten Sie zu diesem komplexen Thema Fragen haben, beraten wir Sie gern entsprechend Ihrer persönlichen Bedürfnisse.

 

Nutzen Sie Ihre Chance. Sprechen Sie uns an.

 

 
 
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